Die Corona-Pandemie als Chance zu sehen... gerade Firmen in der Gastronomie- und Eventbranche wird dies sehr schwer fallen. Doch mit Blick auf eine innovative Idee aus dem Siegerland sieht die Zukunft vielleicht nicht zu düster aus. Der Gedanke: Minijobber aus der Gastronomiebranche vorübergehend als Aushilfe in anderen Unternehmen zu beschäftigen. So wird eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten geschaffen.
Durch vorübergehende Arbeit Minijobbern eine Perspektive geben
Konstantin Turan arbeitet eigentlich für Hüseyin Fidan. Als Minijobber im Restaurant "Casa's Pizza" verdiente er gut. Bis die Pandemie dazwischenkam. Geschäftsinhaber Fidan musste auf die veränderte Situation reagieren. "Ich musste leider den Minijobbern kündigen", bedauert der Gastronom, der seit Jahren die Siegerländer Gastronomiebranche mitprägt. Für Minijobber gibt es jedoch keine staatlichen Hilfen oder Kurzarbeit. Studierende oder Schüler stehen im Grunde ohne Job da - so auch Konstantin Turan, wenn es die Idee von Sebastian Klietsch der Ingenieurgemeinschaft Klietsch nicht gegeben hätte.
Herr Klietsch, dessen 45-jähriges Unternehmen in der Hightech-Software-Branche tätig ist, kennt die Problematik, dass im Arbeitsalltag viele kleinere Aufgaben aufgrund von Personalmangel liegen bleiben. Darunter fallen Schreibarbeiten oder Telefondienste, die oft an Callcenter outgesourct werden. Sebastian Klietsch entschied sich aber anders. Kurzerhand fragte er bei Hüseyin Fidan an, ob Minijobber für eine vorübergehende Beschäftigung zur Verfügung stehen. Zeitnah und ohne viel Bürokratie konnten auf diese Weise gleich drei Minijobber eingestellt werden. "Der Anruf war ein voller Erfolg", freut sich Matthias Klietsch. "Herr Fidan war sofort dabei und dann ging alles ganz schnell." Von der Lösung der kurzfristigen Übernahme profitieren alle Seiten: Die Minijobber erhalten weiterhin ein Einkommen, die Gastronomiebranche wird durch die wegfallende Lohnzahlung entlastet und die Firma löst Personalengpässe. Eine Win-Win-Win Situation.
Hüseyin Fidan ist dafür bekannt, sehr offen für neue Ideen zu sein und auch in Pandemie-Zeiten sein Lächeln nicht zu verlieren. "Viele Gastronomen sagen: Warum hilft der Staat nicht? Er hatte doch acht Monate Zeit für ein Konzept", erklärt er im Gespräch. "Darauf sage ich dann nur: Aber ihr doch auch!" Herr Fidan steckte den Kopf nicht in den Sand, sondern verteilte Flyer und machte online Werbung für seinen Lieferservice. Durch die neue Strategie und die Ausweitung des Services hat er heute keine Existenzangst mehr.
Der Plan: Erfolgsstrategie soll auch andere Unternehmen erreichen
Der neue Job bei der Ingenieurgemeinschaft Klietsch macht den Minijobbern Spaß. Für Matthias Klietsch ist die Einstellung von Minijobbern zwar ungewöhnlich; dennoch bereut er die Entscheidung nicht. "Wir haben drei tolle Jungs von Herrn Fidan bekommen und dieses Konzept war für beide Seiten deutlich leichter als eine normale Jobsuche". Unter den Jungs ist auch Konstantin Turan, der sich über das "angenehme Arbeitsumfeld" und eine Arbeit freut, die "ich von Zuhause aus erledigen und somit mein Umfeld schützen kann".
Langfristig wünschen sich die Ingenieurgemeinschaft sowie Herr Fidan, dass die Idee auch von anderen Unternehmen aufgegriffen wird. Regional übergreifend einander unter die Arme greifen - das ist das Ziel. So können nicht nur Arbeitsplätze gesichert und Personallücken geschlossen, sondern auch die Region attraktiver gestaltet werden. Immerhin handelt es sich bei vielen Minijobbern um Studenten aus anderen Regionen. "Wenn für sie die Einnahmequelle wegfällt, kehren sie Siegen vielleicht den Rücken", merkt Sebastian Klietsch aus der Ingenieurgemeinschaft an. "Wir möchten hingegen Siegen als Standort schmackhaft machen und im Idealfall Studierende auch nach dem Studium hier halten".
Unterstützung von allen Seiten: Bürgermeister und IHK fördern Idee
Bürgermeister Steffen Mues begrüßte die Idee ebenso wie Sabine Bechheim von der IHK Siegen. Mues betonte, wie wichtig ein Erhalt der Gastronomie sei, um die Stadt lebendig und einladend zu gestalten.
Es gibt zwar bereits Hilfsfonds, auch an der Universität Siegen, um Aushilfskräfte finanziell zu unterstützen; die Idee der Ingenieurgemeinschaft Klietsch schließt aber mögliche Lücken. Sabine Bechheim möchte Unternehmen dazu anregen, dem Beispiel der Ingenieurgemeinschaft zu folgen: "Am besten nehmen interessierte Firmen gleich Kontakt zum Gastronom ihres Vertrauens auf, so wie es das Unternehmen Klietsch getan hat". So werden langwierige Prozesse im Vorfeld vermieden.
Firmen mit freien Stellen für Aushilfskräfte sollten den Mut haben, sich direkt an ein Restaurant zu wenden und nach Minijobbern zu fragen. Selbst, wenn es sich nur darum handelt, den Hof zu pflegen oder Daten abzutippen - es gibt sicherlich in jedem größeren Unternehmen Aufgaben, die lange Zeit liegen geblieben sind. Die Win-Win-Win Situation trägt dazu bei, dass Corona nicht nur Jobs zerstört, sondern auch ganz neue Chancen erschafft.
geschrieben von Lorena Müller, freie Texterin